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@China: Don’t shoot the pianist

Der Reformdruck in China hoch, die internationalen Märkte haben diese Woche mit Enttäuschung auf die Kehrtwende in der Bildungspolitik und die stärkere Regulierung von Technologie-Unternehmen reagiert. Im Handelskonflikt zeigen die Reaktionen der Chinesen, dass der Konflikt sich fest fährt. Die USA bauen nun mehr Druck auch beim Verteidigungspartner Deutschland auf, den langfristigen wirtschaftlichen Nutzen der Technologie-Transfers nach China neu zu bewerten.

Wenn Du innenpolitisch unter Druck stehst, mach Aussenpolitik – ein altes Postulat europäischer Politik. Nur für China funktioniert es gerade nicht, der Druck durch Trump und dann Biden wird nach innen weiter gegeben. „One-China“ und die „neue Seidenstrasse“ müssen warten. Corona war noch hilfreich, die Aufstände in Hong Kong unter Kontrolle zu bringen, doch die „causa Taiwan“ kann China langsam abschreiben. Nicht allein wegen der Bedeutung der dortigen Chipindustrie für den Rest der Welt und China selbst, der innere Reformdruck in China ist einfach nicht mehr nach aussen ableitbar.

Japan und USA machen aussenpolitischen Druck

TSMC (US8740391003, WKN: 909800) hat gerade eine Fabrik auf japanischem Boden angekündigt , postwendend hat Japan Taiwan zum Bündnis-Partner im Verteidigungsfall erhoben. Solche Deals kennen wir zu gut aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg und die Statements japanischer Politiker sind ein diplomatischer Affront Japans gegen die One-China-Ideologie. Andere Industrienationen könnten absehbar ihre Zurückhaltung aufgeben und Taiwan ebenfalls diplomatisch anerkennen – Chinas sonst so schwer zu zähmender Wille erscheint hier gebrochen.

Beim den letztem Treffen in Sachen „Handelpolitik“ mit den USA auf höchster, diplomatischer Ebene hat China widerborstig rote Linien in den Sand gezeichnet, also die Strategie der selbst-bewußten, höflichen Zurückhaltung aufgegeben. Denn wer rote Linien zeichnet, geht ein hohes Risiko ein, denn sie könnten getestet werden.

Innenpolitische Reformen: „It’s socialism, stupid !“

China muss im Handelskrieg pausieren, um innenpolitische Pläne zu realisieren. China reformiert dieses Mal seine Bildungs- und auch seine Technologie Branche. Über Nacht wird das staatliche Zuweisungssystem zu den Top-Universitäten radikal von einem bisher Erfolgs-orientieren, also Noten-basierten System auf ein Zufallsprinzip umgestellt (!!!) – „It’s socialism, stupid !“. Damit bricht eine gigantische Nachhilfe-Industrie zusammen, von der vorrangig die Wohlhabenden profitiert haben, die sich Nachhilfe leisten konnten. Oder z.B. eine zweite Wohnung in Schulnähe für Mutter und Kind  zum effektiven Lernen und Schlafen an Wochentagen.

Ein paar Reförmchen betreffen auch die Techgiganten, wie Tencent, Alibaba und Co, aber solche Tanker hält man schwerlich auf. Die Massnahmen sind also eher Wettbewerbs-fördernd, wie die geplanten BigTech-Regulierungen des US-Kongresses und der EU-Kommission – die neue Macht der Staaten. Gerade weil man zuvor in China Alles sich selbst überlassen hatte, bekämpften sich die Internet Unternehmen mit harten Methoden, etwas mehr Regulierung tut ihnen gut. Auch die Bitcoin Mining Industrie wurde aus dem Land geworfen und verzieht sich nun nach Texas, sie war eines der Lieblings-Spielzeuge chinesischer Zocker und beliebtes Mittel, um große Vermögen via Blockchain ins Ausland zu transferieren. Das mag der chinesische Staat auch nicht.

Ein China, ein Kind, ein Deal

Hinter all dem steht die Sorge um den Verlust der wirtschaftlichen Dynamik durch Alterung und unzureichende Bildung des Nachwuchses. Denn eine unglückliche Folge der Ein-Kind-Politik ist, dass sie sich nicht von selbst abschafft. Gewiss können sich die Bauern auf dem Lande drei Kinder leisten, aber die Stadtbewohner können das nicht. Ausreichend Platz ist dort teuer. Bei Geburtenraten endet bekanntlich staatlicher Einfluss, das chinesische „Sozialismus-trifft-Kapitalismus“ System kommt one diesen nicht aus. Doch auch Chinesen zeugen keine Kinder, deren Ausbildung sie nicht absichern können. 

Die laisse-faire Regulierung hat 30 Jahre „Wirtschaftswunder“ hinter sich, aber auch schädliche Gier produziert. Der Deal der Staatsführung nach dem Tian’anmen-Massaker war: Der Kommunismus bleibt, dafür erhaltet Ihr wirtschaftliche Reformen und letztlich Reichtum. Wir sichern Euren Wohlstand ab und Ihr kümmert Euch nicht um Politik. Die Elite hat übersehen, dass der Reichtum zwar ansteigt, aber in den Händen weniger verbleibt. Eine Top-Ausbildung für mehr als ein Kind kann sich kaum ein Chinese leisten, auch eine Hochzeit des eigenen Kindes setzt nicht nur eine gute Ausbildung, sondern meist auch eine Eigentumswohnung voraus. Zuletzt wurde die Nachhilfe zu teuer und die Wohnungen auch.

Don’t shoot the pianist

Der Griff in die Sanktions-Schatztruhe inmitten der enthemmten wirtschaftlichen Dynamik kann auch post-Corona so effektvoll sein, wie mitten auf dem rauschenden Fest den Pianisten zu erschiessen. 

China hat eine Reihe Innovationen hervorgebracht, wie TikTok und das „Social Commerce“ Feuerwerk oder die innovative Lieferketten-Optimierung von SheIn. Schaffen es die westlichen Gesellschaften, deren Konzerne und Kunden diese Innovationen schnell zu adaptieren, dann geht China’s bisher endlose Wachstumsphase  in eine vorübergehende „Eiszeit“, um sich neu zu erfinden. Chinas Politiker jedenfalls fressen derzeit Kreide, um einerseits im sozialistischen Sinne hart durchzugreifen, andererseits nach aussen als dauerhaft verlässlicher Handels-Partner zu erscheinen. 

Deutsche Konzerne müssen Sanktions-Szenarien durchspielen

Deutschland hat nun die nicht minderschwere Aufgabe, sich zwischen dem „westlichen Bündnis im Verteidigungsfall“ und dem freizügigen Handel mit China zu entscheiden, jenes Land, das bisher auf einen Krieg im Südchinesischen Meer zugesteuert hat. Massgeblich dank der Unabhängigkeit von Taiwan, sind die Amerikaner südlich von China noch als Seemacht präsent.

Die Abschiedstour von Angela Merkel führte nach Washington, von dort brachte Sie das Ende der Sanktionen für Nordstream 2 mit. Verknüpft ist das mit Zusagen an die Ukraine, die anstelle von vormals Deutschland der neue Pufferstaat zwischen Ost und West ist. Aber russisches Gas ist nur das kleinere Thema im Vergleich zum Handel mit China. Über den Umgang mit China wird man mit der deutschen Delegation in Washington gesprochen haben. Und dass die Amerikaner noch Wünsche an Deutschland und Europa haben, kann man vielleicht daran ablesen, dass sie auch zum Abschied von Angela Merkel das Faustpfand „Reise-Embargo aus dem Schengen-Raum“ nicht aufgegeben haben.

Diplomatie ist längst keine Wundertüte mehr – wie schon bei der Wiedervereinigung, dem Golfkrieg, der Griechenlandkrise und Flüchtlingskrise kann sich Deutschland nicht mehr in der Mitte positionieren, sondern ist gelegentlich gezwungen polarisierende Entscheidungen zu treffen.

update (04. August 2021):

Es zeigt sich, dass die chinesische Regierung derzeit eine schon länger geplante Strategie:

  • Die South China Morning Post berichtet über Treffen mit den grossen Nachhilfe-Anbietern bereits im März, allerdings scheinen diese eher auf Zeit gespielt zu haben.
  • Die Regierung reguliert auch Lieferdienste wie Meituan stärker, um Billiglöhne abzuschaffen.
  • Präsident Xi hat seine Vorbehalte gegen die Nachhilfe-Industrie bereits vor drei Jahren hier notiert. Im 14. Fünf-Jahres-Plan (hier analysiert und zusammengefasst) werden die für die chinesische Führung tatsächlich wichtigen Sektoren genannt (s. 7 oder hier): 1. Integrierte „next-gen“ Chips, wie sie TSMC fertigt, 2. Robotics, 3. Raumfahrt (Mars), 4. High Tech Schiffe (Marine?), 6. Sparsame, vernetzte Elektroautos, … Schienennetz … Biotech u.s.w.
  • Das sind alles sog. „Hard-Tech“ Industrien, die „Soft-Tech“, wie die Internet und „BigTech“ Branche ist nicht genannt. Der zweite Angriff der Regierung-nahen Medien zielte gestern auf die Videospiel-Industrie und ganz konkret auf den Marktführer Tencent, Videospiele seien wie geistiges Opium, bzw. „elektronischenDrogen“ für Teenager.
  • Formulierungen, wie Opium wurden in einem update des Artikels dann entfernt und durch Formulierungen, wie „schädliche Wirkung“ ersetzt und dass es „unmoralisch“ sei, Schulen, Unternehmen oder Eltern allein dafür verantwortlich zu machen, dass Kinder lange Stunden mit Videospielen verbringen.
  • Die offiziellen in China wissen, dass die einmalige Äusserung in dieser Form ein ausreichender Warnschuss ist, die Erinnerung an die Opium-Zeit löst in China ähnliche Ängste aus, wie in Deutschland der Begriff „Inflation“. Opium hat China im frühen 19. Jahrhundert auch finanziell ausgeblutet. Wegen der Geschäftsinteressen und militärischen Überlegenheit der Europäer konnte China den Vertrieb von Opium nicht unterbinden, was letztlich in den Opium-Kriegen mündete. Von Krieg will man angesichts der latenten Konflikte im südchinesischen Meer dann doch nicht reden, wenn Reformen anstehen. Aber ganz weglassen wollte die Führung das Zeichen nach aussen dann doch nicht.
  • Einen weitereren Regulierungsschritt deutet ein unveröffentlichtes Strategiepapier an, dieser reguliert die künstliche Intelligenz und trifft z.B. das Unternehmen Bytedance und deren Plattform „TikTok“. Auf deren China-Version „Douyin“ täglich 600 Mio. User gesehen werden, also fast alle Chinesen. Die Plattformen sollen die „Erforschung von Algorithmen im Cyberspace verstärken, eine umfassende Kontrolle der Empfehlungen von Algorithmen auf Internet-Plattformen durchsetzen und keine Kanäle für die Verbreitung fehlerhafter Inhalte bereitstellen“. Konkret richtet sich das gegen die sehr beliebten „niedrigen, vulgären und anbiedernden Inhalte oder Quasi-Unterhaltungsinhalte“. China möchte nicht, dass seine Bürger „Sklaven des Online-Verkehrs werden oder zulassen, dass kommerzielle Standards künstlerische Standards übertrumpfen“. Stattdessen werden alle chinesischen Autoren und Vertreiber von Inhalten aufgefordert, „die richtige Richtung einzuschlagen, die marxistische Literaturtheorie und -kritik zu stärken und auf die sozialen Auswirkungen der Literaturkritik“ zu achten. ‼

Jeder Chinese lernt aus all diesen Massnahmen, dass die Heranwachsenden trotz intensiver Bemühungen in Summe nicht gut genug ausgebildet sind und die Internet und Spiele Industrie schädlich sei. Die Regierung verfolgt den Plan, den Kindern der unteren Schichten die Bequemlichkeit einfacher Jobs zu verleiden, leicht zu konsumierende Inhalte und das exzessive Online-Spielen abzugewöhnen. Die Regierung forciert intelligentere Inhalte auf Plattformen und ermöglicht den Zugang zu besseren Universitäten für Jedermann unabhängig vom Wohlstand, um möglichst bald hinreichend viele, ausreichend intelligente Ingenieure für die Erfüllung des 14. Fünf-Jahres-Plans zu haben.

Man darf gespannt sein, was in den nächsten Tagen noch an Massnahmen kommt und ob die Chinesen diese vielen Nachrichten richtig verstehen und umsetzen.

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